[Artikel] Auswertung Befragung von Organisationen mit Selbstorganisation (Stand: Mai 2020)

Abstract

Die 11 antwortenden Organisationen sind in den Bereichen Pflege, Bildung, soziale Arbeit und Softwaredienstleistungen tätig. Die grösste umfasst 150 Mitarbeitende, die kleinste 5. Auf einer Skala von 1 (Planung der Selbstorganisation) bis 10 (gesamte Organisation ist selbstorganisiert) geben sie sich einen Durchschnittswert von 7.6. Die Gründe, weshalb sie Selbstorganisation eingeführt haben sind meist ökonomische (Overhead reduzieren, hohe Krankheitsabsenzen, schnellere Reaktionsfähigkeit gegenüber neuen Marktanforderungen, Innovationsfähigkeit, effizientere Abläufe, mehr Flexibilität ) und veränderten Menschenbilder (Menschen sind in der Lage, ohne Hierarchie Leistung zu erbringen, wollen selbstständig arbeiten, die Intelligenz aller ist immer besser als die Intelligenz einzelner). Dabei verwenden sie am häufigsten das Modell von «Laloux/Teal Organisation», aber auch Scrum, Soziokratie, Buurtzorg und kollegiale Führung.

Die befragten Organisationen geben weiter an, was sie besonders gut können und was sie bei der Umsetzung besonders herausfordert. Abschliessend werden noch Wünsche ans Netzwerk geäussert.


Ausgewertete Fragebogen

Es haben sich 11 Organisationen an der Befragung beteiligt.

Tätigkeitsbereiche

Die antwortenden Organisationen arbeiten in folgenden Feldern (offene Frage):

Betreuung und Pflege (Betagte, Kindern); Gastronomiedienstleistungen; Berufsbildung; Beratungs-, Integrations- und Gemeinschaftsangebote; Softwaredienstleister; ambulante Pflege (Spitex); Elternbildungs- und Beratungsangebote; sozialpädagogische Familienbegleitung sowie Platzierungen von Kindern in Pflegefamilien; Berufsorientierung und Laufbahnberatung; berufliche und soziale Integration.

Anzahl Mitarbeitende

Wieviele Mitarbeitende arbeiten bei den antwortenden Organisationen?

Spezielles

Die Organisationen geben an, sich im Zeitraum von 2016 bis 2019 auf Selbstorganisation verändert zu haben, eine Organisation tut dies seit 2002. Ausser einer geben alle Antwortenden an, ohne Beratende die Entwicklung umgesetzt zu haben.

Befragt nach der Tiefe der Umsetzung (1=wir überlegen uns Selbstorganisation einzuführen, vielleicht auch nur in Teilen – 5=wir haben schon einige Aspekte der Selbstorganisation eingeführt und arbeiten nach diesen Prinzipen. Es braucht aber noch einige Schritte, bis wir 100% selbstorganisiert sind – 10=wir arbeiten in der gesamten Organisation selbstorganisiert, Entscheide werden dort getroffen, wo sie anfallen, Gelder dort frei gegeben, wo sie benötigt werden, formale Hierarchien sind abgeschafft, es bestehen nur noch kompetenzorientierte Hierarchien) bezeichneten sich die meisten Organisationen zwischen 7 und 10, mit einem Durchschnitt von 7.6

Was hat die Organisation dazu bewogen auf Selbstorganisation umzustellen

Befragt nach den Ursachen, die zur Umstellung geführt haben, werden auf der einen Seite Anforderungen des Marktes genannt, bspw.

  • Overheadpersonal wird immer umfangreicher,
  • mehr Betreuungs- und Begleitungsaufgaben,
  • partielles Führungsversagen,
  • sehr hohe Krankheitsabsenzen,
  • schnellere Reaktionsfähigkeit gegenüber neuen Marktanforderungen,
  • erhöhte Innovationsfähigkeit,
  • optimalere Nutzung der Fähigkeiten und Ressourcen aller Mitarbeitenden,
  • effizientere Abläufe,
  • mehr Flexibilität in Bezug auf schwankende Auftragslagen,
  • flexiblere Angebote.

Generell erachten die Antwortenden sich mit Selbstorganisation somit besser in einem komplexen und volatilen Umfeld den ständigen Veränderungen stellen zu können.

Zudem wurden auch Ursachen genannt, die eher mit veränderten Menschenbilder im Zusammenhang stehen:

  • Menschen sind in der Lage, ohne Hierarchie zusammen eine Leistung zu erbringen,
  • Menschen wollen selbstständig arbeiten
  • die Intelligenz aller ist immer besser als die Intelligenz einzelner,
  • eine Arbeitsumgebung schaffen, in der alle Beteiligte sich wohl fühlen,
  • Lust haben zu arbeiten.

Weiter wird die Publikation von Frederic Laloux genannt, welche den Mut zur Veränderung bestärkte.

Ansätze der Selbstorganisation

Sehr oft wurde der Ansatz «Laloux/Teal Organisation» als Modell der Selbstorganisation genannt. Weiter wurden Scrum (3 Mal), Soziokratie (2 Mal), Buurtzorg (2 Mal), kollegiale Führung (2 Mal), Holacracy, Mission and Vision, Kaizen als Ansatz der Selbstorganisation genannt.

Dazu kommen Elemente wie Beyond Budgeting (2 Mal) und Purpose Driven (2 Mal).

Das können diese Organisationen besonders gut

Fragt man die Organisationen, was sie aus ihrer Sicht besonders gut können, so nennen sie

  • konsultativer Einzelentscheid,
  • Arbeiten und Entwickeln mit / von „Rollen“,
  • evolutionäre Entwicklung aller Angebote und Arbeitsbereiche,
  • Verzicht auf Positionen und Privilegien,
  • kurze Kommunikationswege,
  • Reflexion,
  • Störungen ansprechen,
  • Transparenz,
  • Agilität,
  • Eigenverantwortung,
  • Selbständigkeit,
  • neue Rollen und Aufgaben für die Mitarbeitenden,
  • Produktivität,
  • Innovationsfähigkeit,
  • übergreifende Zusammenarbeit,
  • multikulturelle Kommunikation,
  • wertschätzende Arbeitskultur,
  • Vertrauen

Herausforderungen der Organisationen

Als Herausforderungen wurden von Antwortenden genannt:

  • verkappte Leitungsfunktionen,
  • Bearbeitung der Schnittstelle zwischen klassisch und selbst organisierten Teilen,
  • Kunden, die diese Arbeitsform und -philosophie nicht kennen/ Schnittstelle nach „Aussen“,
  • Loskommen von der alten Welt, im Kopf und bei Formularen,
  • Methoden der Entscheidungsfindung (mehrfach),
  • Kommunikation,
  • neues, passendes Lohnsystem,
  • Finanzen im Team bearbeiten.

Wünsche an das Netzwerk

  • In Deutschland präsenter sein
  • Plattform für Gleichgesinnte für Austausch und gemeinsames Lernen/Weiterentwickeln
  • Umsetzung der Selbstorganisation in Betrieben fördern mittels Informationen & Kontakte durch Newsletter, Artikel, Linksammlungen, Tools vermitteln, Workshops, Tagungen, Austausch etc.
  • FREEMIUM Angebote wie Informationen über Events von diversen Anbietern, spannende Videos, Hinweise auf Ressourcen
  • Organisator von Events zum Thema (vor Ort und webbasiert), in unterschiedlichen Preisklassen so dass auch kleine KMUs da mitmachen können

 

Solothurn/Basel, den 26. Mai 2020


Die Umfrage bleibt weiterhin aufgeschaltet:

https://netzwerkselbstorganisation.net/umfrage-netzwerkkarte/

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Urs Kaegi (Alle Beiträge sehen)

em. Professor der Fachhochschule Nordwestschweiz, selbständiger Coach und Organisationsberater

Schwerpunkte: Kooperation in Organisationen, organisationaler Wandel

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Mirjam Buchmann (Alle Beiträge sehen)

Selbständige Sozialpädagogin M.A. und Phameotherapeutin

Während rund 20 Jahren arbeitete Frau Buchmann in unterschiedlichen stationären Institutionen (Beobachtungsstation, Massnahmezentrum, Schulheim, Kinderheim, Schulbegleitung; KITA) und absolvierte verschiedene Weiterbildungen (Praxisausbildung, Gewaltberatung/Phaemotherapie). Während des Masterstudiums an der FHNW Olten, Soziale Arbeit, Schwerpunkt Innovation war sie als wissenschaftliche Assistentin an der FHNW vor allem zur Selbstorganisation tätig. Die Masterarbeit behandelt das Thema «Macht in Selbstorganisation». Aktuell arbeitet sie selbständig (www.bebeth.ch) als Dozentin an der FHNW und in der Beratung von Organisationen, Familien und Einzelpersonen mit Schwerpunkt Selbstorganisation, sowie Konflikt/Gewalt

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Matthias Giger (Geschäftsstelle) (Alle Beiträge sehen)

Hochschule für Soziale Arbeit, Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW

Master in Soziale Arbeit FHNW, Wissenschaftlicher Assistent an der Fachhochschule Nordwestschweiz, Redaktionsassistent der Schweizerischen Zeitschrift für Soziale Arbeit und verantwortlich für den Unterhalt der NetzwerkSelbstorganisation.net Plattform

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