Beiträge Foren Forum Basiswissen zum Thema Selbst­organisation Best Practice zur Umstellung auf Selbstorganisation

Ansicht von 1 Beitrag (von insgesamt 1)
  • Autor
    Beiträge
  • #581
    Matthias
    Administrator

    Die Frage nach dem „wie macht man das“, ein Betrieb von einer hierarchisch organisierten Führung auf Selbstorganisation umzustellen, ist mir in Gesprächen im Rahmen der Veranstaltung vom 20.-21. Juni 2019 immer wieder begegnet. Daher widmet sich dieser Beitrag der Frage

    Gibt es eine „Best Practice“ zur Umstellung eines Betriebs auf Selbstorganisation?

    Kleine Anmerkung vorweg: Dieser Beitrag erhebt nicht den Anspruch vollständig und vollkommen zu sein. Vielmehr möchte er eine Diskussion zum Thema in Gang setzen, damit gemeinsam Wissen erarbeitet werden kann. Die Quellenangabe mittels Literaturverzeichnis ist erwünscht, aber nicht zwingend.

     

    Kurze Antwort

    Nein. Jeder Betrieb ist anders, es gibt kein Rezept welches 1:1 auf alle Betriebe angewendet werden kann.

     

    Lange Antwort

    # Zeitlicher Horizont

    Die Umstellung ist ein Prozess welcher Jahre in Anspruch nimmt. Sie lässt sich nicht von heute auf morgen bewerkstelligen und ist von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich.

    Der zeitliche Horizont hängt unter anderem ab von:
    – Der Branche in welcher der Betrieb tätig ist und den damit verbundenen Herausforderungen
    – Der gegenwärtig vorherrschenden Kultur im Betrieb
    – Wie gut die Änderung auf Selbstorganisation geplant und vorbereitet ist

    # Schrittweise Vorgehen

    Mit Selbstorganisation erhalten Mitarbeitende mehr Verantwortung. Der Umgang damit sowie der Umgang mit dem Treffen von Entscheidungen muss gelernt werden. Werden Nicht-Schwimmer ins Wasser geworfen bleiben sie oben oder sie gehen unter. Werden sie ins Wasser begleitet und wird ihnen das Schwimmen zuerst beigebracht, so ist die Chance dass sie oben bleiben grösser. Ähnlich verhält es sich mit Mitarbeitenden und Selbstorganisation. Wenn sie sich schrittweise daran gewöhnen an die Verantwortung und das Treffen von Entscheidungen, so können sie Kompetenzen entwickeln, die ihnen den Umgang damit ermöglicht. Werden sie darauf nicht vorbereitet mündet es womöglich in Stress, Überforderung und womöglich in Krankheit.

    Im Rahmen des Workshop 6 der Veranstaltung V1 Praxistagung: Selbstorganisation – dezentrale Führung und Entscheidung hat Udo Janning beispielsweise geschildert, wie er, im Rahmen der ambulanten Pflege, den Pfleger*innen-Teams eine Aufgabe nach der anderen übertragen hat: angefangen bei der Routenplanung, über die Erstellung der Dienstpläne, etc.

    # Wissen, (Aus-, Fort- und Weiter-)Bildung und Infrastruktur

    Sowohl die Führung, wie auch Mitarbeitende müssen sich im Rahmen der Selbstorganisation neues Wissen aneignen.

    In einer frühen Evaluation von Buurtzorg stellte de Veer (2008, Bericht auf Holländisch) fest, dass viele Pflegende im ambulanten Bereich zuerst eine Einführung gebraucht hätten, wie ein Computer zu bedienen ist, denn sie hätten diese vor der Umstellung auf Selbstorganisation kaum gebraucht. Durch die Umstellung seien diese jedoch unverzichtbar geworden. Das Management ging irrtümlicherweise davon aus, dass dieses Wissen bereits vorhanden wäre (vgl. de Veer 2008: 35). Die Pflegenden mussten sich zuerst Wissen aneignen beispielsweise bezüglich den finanziellen Aspekten der Pflege, welche zuvor von der Führung geregelt wurden (vgl. ebd.: 36).

    Besonders zu Beginn der Umstellung, bis sich die Mitarbeitenden das nötige Wissen angeeignet haben, kann es zu einem Gefühl der Überforderung und Unsicherheit kommen (vgl. ebd.). Der Aufwand und die Belastung sind am Anfang sehr hoch. Durch Unterstützung seitens der Führung und Weiterbildung der Mitarbeitenden vor der Umstellung auf Selbstorganisation kann diesen Gefühlen vorgebeugt werden.

    Bezüglich der Infrastruktur fehlte es bei Buurtzorg an Räumlichkeiten in den Quartieren, wo sich Pflegende hätten Treffen können (vgl. ebd.).

    # Mitarbeitende und Führung auf die Reise mitnehmen

    Selbstorganisation ist nicht für jede*n. Es gibt Mitarbeitende, die wollen nicht mitgestalten, die Sicherheit brauchen, denen eine solche Umstellung aufgrund der damit verbundenen Ungewissheiten Angst bereitet. Daher ist es wichtig stets transparent zu kommunizieren. Es ist wichtig einen Raum zu schaffen, in dem mögliche Bedenken angesprochen werden können, dass diese ernst genommen werden und dass sich niemand zurückgelassen fühlt. Es ist ein Weg, der gemeinsam gegangen werden muss und in dem Vertrauen eine wichtige Rolle spielt. Vertrauen sowohl von Mitarbeitenden zur Führung, wie auch umgekehrt. Eine Möglichkeit ist eine charismatische Führungsperson zu haben, die es schafft, Menschen mitzureissen. Eine andere Möglichkeit ist eine Vertrauensperson als Ansprechpartner einzusetzen an deren Adresse Bedenken gemeldet werden können (möglichst nicht eine Führungsperson).

    Für externe Kooperationspartner ist es von Vorteil einen Ansprechpartner zu haben, welcher die Rolle des Vermittlers zwischen innen/aussen übernimmt.

    # Kultur und Kommunikation

    Wichtig erscheint eine Kultur der Offenheit und der Kommunikation.

    # Plattform zur Kommunikation

    Damit die Kommunikation klappt und damit sich alle auf dem selben Stand der Information befinden braucht es unterschiedliche Austauschgefässe. Bewährt hat sich eine Mischung aus einer digitalen Plattform (beispielsweise ähnlich dieses Forums) und Face-to-Face treffen.

    # Selbstorganisation als Bausatz-Prinzip

    Selbstorganisation kann als Bausatz verstanden werden. Eine Sammlung von Methoden und Instrumenten, die passend zum Betrieb eingesetzt werden sollten. Was in einem Betrieb gut funktioniert, muss in einem anderen Betrieb nicht zwingend ebenso gut funktionieren.

    Siehe auch: Grundsatzdiskussion: Checkliste.

    # Externe Begleitung und Austausch mit anderen

    Die Umstellung auf Selbstorganisation ist mit Unsicherheiten verbunden. Der Austausch mit anderen Organisationen kann hilfreich sein. NetzwerkSelbstorganisation.net die Plattform des NetzwerkSelbstorganisation bietet eine Möglichkeit hierzu.

    Eine externe Begleitung durch Unternehmensberatende bietet Unterstützung bei der konkreten Umsetzung im Betrieb, Unterstützung bei der Wahl der Methoden und Instrumente sowie Reflexionsmöglichkeiten im Prozess.

    # Führung

    Siehe: Die Rolle der Führung bei Selbstorganisation

Ansicht von 1 Beitrag (von insgesamt 1)
  • Du musst angemeldet sein, um auf dieses Thema antworten zu können.