Beiträge Foren Forum Basiswissen zum Thema Selbst­organisation Treffen von Entscheidungen bei Selbstorganisation

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    Matthias
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    In Betrieben, Unternehmen und Organisationen werden Tag für Tag auf unterschiedlichen Ebenen mehr oder weniger wichtige Entscheidungen getroffen. Die Frage lautet:

    Wie werden im Rahmen der Selbstorganisation Entscheidungen getroffen?

    Im Rahmen der Selbstorganisation stehen unterschiedliche Instrumente und Methoden zum Treffen von Entscheidungen zur Verfügung. Hier soll ein Überblick dazu geboten werden.

    Kleine Anmerkung vorweg: Dieser Beitrag erhebt nicht den Anspruch vollständig und vollkommen zu sein. Vielmehr möchte er eine Diskussion zum Thema in Gang setzen, damit gemeinsam Wissen erarbeitet werden kann. Die Quellenangabe mittels Literaturverzeichnis ist erwünscht, aber nicht zwingend.

     

    Konsens. Konsens meint die Übereinstimmung einer Gruppe in Bezug auf eine bestimmte Thematik. Wie Rüther (2010) schreibt, hat die Werkstatt für gewaltfreie Aktion den Begriff weiter differenziert und sechs Konsensstufen ausgearbeitet: 1) Vorbehaltlose Zustimmung, 2) Zustimmung mit leichten Bedenken 3) Entscheidung mittragen trotz schwerer Bedenken, 4) Beiseite Stehen – Den Vorschlag nicht mittragen können, sich nicht an der Umsetzung beteiligen, ihn aber trotzdem geschehen lassen, 5) Enthaltung – Die Entscheidung den anderen Überlassen und was entschieden wird umsetzen 6) Veto – Grundsätzliche Ablehnung des Vorschlags, der Vorschlag darf so nicht ausgeführt werden und muss angepasst werden (vgl. Rüther 2010: 25).

    Konsent. Konsent meint nicht Zustimmung, sondern die Abwesenheit schwerwiegender und argumentierter Einwände. Dabei wird jedes Mitglied eines Kreises gefragt, ob ein Entscheid ausgeführt werden kann. Kommt ein Nein, wird gefragt, ob der Einwand schwerwiegend ist. Ob ein Einwand schwerwiegend ist, entscheidet alleine das Mitglied, welches das Nein einwirft, niemand sonst. Ist er schwerwiegend, wird nach den Argumenten gefragt. Diese werden dann dazu benutzt, einen neuen Vorschlag auszuarbeiten, über den erneut beschieden wird. Das geht solange bis kein Nein mehr kommt. Ziel ist nicht ein perfekte Lösung, sondern eine Lösung, die es allen erlaubt weiterzuarbeiten (kleinste gemeinsame Nenner als Mindeststandard) (vgl. Rüther 2010: 23f.).

    Konsultativer Einzelentscheid. Konsultativer Entscheid. Laloux beschreibt in seinem Buch Reinventing Organizations (2016) diese Art Entscheidungen zu treffen anhand eines Beispiels von FAVI, einem französischen Autozulieferer mit Selbstorganisation. Bei FAVI kann jeder Entscheidungen treffen und über das Geld des Unternehmens verfügen. Derjenige der eine Entscheidung trifft, beispielsweise über den Kauf einer neuen Maschine für den Fertigungsprozess, einer Änderung in den Prozessabläufen oder in den Produkten, muss sich 1) mit Mitarbeitenden austauschen, die über Expertise auf diesem Gebiet verfügen 2) die Meinung einholen von denjenigen, die von der Entscheidung direkt betroffen sind. Die Meinungen der Experten und der Betroffenen muss er ernst nehmen. Die Entscheidung kann dennoch entgegen einer dieser Meinungen getroffen werden. Je grösser und schwerwiegender die Entscheidung, desto mehr Meinungen müssen eingeholt werden. Trifft die Entscheidung alle im Betrieb, müssen alle befragt werden (vgl. Laloux 2016: 68ff.).

    Dynamische Delegation.

    Reflecting Team.

    Mehrheitsbeschluss. Demokratisch: die Mehrheit entscheidet. Hierfür kann, nach dem „Good enough to try“-Prinzip eine Quote festgelegt werden: ob 50%, 70%, 80%, … Wird die Quote überschritten, wird es umgesetzt. Dies kann beispielsweise auch an Generalversammlungen von Aktiengesellschaften angewendet werden, wenn die Aktien auf die Mitarbeitenden verteilt sind.

    Autokratisch oder autoritär. Eine Person entscheidet. Was zunächst widersprüchlich scheint, kann durchaus in Einklang mit der Grundidee der Selbstorganisation/Soziokratie gebracht werden, nämlich dann, wenn eine Gruppe entscheidet, dass eine Person eine bestimmte Entscheidung treffen soll (aufgrund seiner Expertise, Interessen oder Betroffenheit).

     

    Wichtig ist zu erwähnen, dass sich nicht unbedingt für eine einzelne Methode entschieden werden muss, mit der dann alle Entscheidungen getroffen werden müssen. Es können auch unterschiedliche Methoden, je nach Beschaffenheit der zu treffenden Entscheidung oder je nach Fall, zum Einsatz kommen.
    Beispielsweise bei Entscheidungen betreffend der strategischen Ausrichtung Mehrheitsbeschluss, bei der Anschaffung neuer Maschinen Konsent oder konsultativer Entscheid oder anderes. Ebenfalls können mehrere Methoden nachgelagert werden: zunächst mittels Konsent entscheiden, wer die Entscheidung trifft und derjenige trifft dann die Entscheidung autokratisch.

     

    Quellenverzeichnis:

    Laloux, Frederic (2016). Reinventing Organizations. An Illustrated Invitation to Join the Conversation on Next-Stage Organizations. o.O.: Nelson Parker.

    Rüther, Christian (2010). Soziokratie. Ein Organisationsmodell. Grundlagen, Methoden und Praxis. Seminarunterlage und Einführungstext. 2. korrigierte und leicht aktualisierte Auflage.

    #947
    Mirjam
    Teilnehmer

    Eine weitere Quelle mit einer ausführlichen Methodensammlung und konkreten Anwendungsmöglichkeiten rund ums Thema Selbstorganisation „Purpose driven Organizations“ von Franziska Fink/Michael Moeller (2018) Schäfer Poeschel Verlag. Stuttgart.
    oder https://www.purpose-driven.world/werkzeuge/

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