[Streit!] Genügt es, wenn wir unsere Haltung ändern, um selbstorganisiert zu arbeiten?

Mit der Streit!-Rubrik wollen wir den Austausch rund um Themen der Selbstorganisation fördern. Wir liefern eine Aussage, die in Diskussionen rund um Selbstorganisation immer wieder auftaucht und ihr könnt auf unserer Webseite darauf reagieren. Zur Auswahl stehen folgende Reaktionen: Konsent, leichte Bedenken, schwerwiegender Einwand. Weiter bitten wir euch, mittels Kommentarfunktion einen Kommentar dazu zu verfassen. Dort findet ihr auch die Meinung derjenigen, welche die Aussage ins Spiel gebracht haben. Die heutige Aussage lautet:

Um selbstorganisiert zu arbeiten, genügt es, wenn wir unsere Haltung ändern.

Die Aussage wurde von Urs Kaegi eingebracht. Seine Meinung zur Aussage findet ihr in den Kommentaren.

Was meint ihr zur Aussage?

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Urs Kaegi (Alle Beiträge sehen)

em. Professor der Fachhochschule Nordwestschweiz, selbständiger Coach und Organisationsberater

Schwerpunkte: Kooperation in Organisationen, organisationaler Wandel

Falls Sie ihm ein Buch oder einen Artikel unterbreiten möchten, können Sie dies unter folgender Postadresse tun:

Urs Kaegi, c/o EcoSolidar, Dornacherstrasse 192, CH-4053 Basel

Bitte beachten Sie, dass nicht alle eingesandten Bücher in die Literaturempfehlungen aufgenommen werden können. Dafür bitten wir um Verständnis.

urs.kaegi@netzwerkselbstorganisation.net

6 Gedanken zu “[Streit!] Genügt es, wenn wir unsere Haltung ändern, um selbstorganisiert zu arbeiten?”

  1. Schwerwiegender Einwand. Die Haltung(en) oder die Kultur einer Organisation bestimmt sicher viel einer Organisation. Das Zusammenspiel von Werten, Normen, Denkhaltungen und Paradigmen, welche die Mitarbeitenden kollektiv teilen, ist sicher eine bedeutende Grösse, aber sie ist nicht alles. Und vor allem: sie ist schwer zu verändern. Mitarbeitende entscheiden selbst, wie sie sich verhalten wollen, man kann bloss von aussen Anreize schaffen. Was Mitarbeitende mit diesen machen, ist ihnen überlassen.

    Einfacher ist es Strukturen zu verändern! Manche sagen sogar: ändere die Strukturen und die Kultur wird sich automatisch verändern. In der Systemtheorie würde man da von Autopoiese sprechen.
    Werden bspw. neue Form der Entscheidungsfindung eingeführt wie Konsent oder Widerstandsabfrage, so sind wir gezwungen, uns mit neuen Vorgehensweisen auseinander zu setzen. Im Alltag ziehen dadurch neue Handlungsweisen ein und diese beeinflussen dann auch unsere Haltungen.
    Oder in dem als Steuerungsinstrument der Organisation neu soziokratische Kreise gebildet werden. Oder in dem regelmässig ein organisationsweiter Austausch in Form eines Grossgruppentreffens stattfindet. Oder in dem man sich am Morgen vor jedem Arbeitstag zu einer kurzen Runde trifft und gemeinsam den Tag plant.

    Oder, oder, oder… Alles strukturelle Veränderungen die, sofern sie als sinnvoll erlebt werden, auch unsere Haltung beeinflussen.
    Klar kann man jeder und jedem Mitarbeitenden Laloux zum Lesen geben, aber damit ist allenfalls das Interesse an Selbstorganisation geweckt, aber noch nicht die Haltung verändert.
    Erst die Weiterentwicklung von grundlegenden Haltungen, also der Kultur, ausgelöst durch strukturelle Veränderungen, führen zu nachhaltigen organisationalen Veränderungen. Das gilt generell für organisationale Transformationen, aber insbesondere auch für die Umsetzung von Selbstorganisation.

  2. Lieber Urs
    Danke für die Einladung zur Diskussion.

    Ich schätze Laloux als tollen Inspirator – nur bringt mir dies für die konkrete Umsetzung relativ wenig.

    Der Weg in die Selbstorganisation ist für mich persönlich daher auch nicht eine Frage von entweder-oder sondern sowohl-als-auch.

    ➡️ Neue Strukturen müssen anders genutzt werden, sonst wird z.B. agiles Theater gespielt.
    ➡️ Neue Denk- und Handelsweisen brauchen einen anderen Rahmen sonst enden diese bald in grossem Frust.

    Wenn wir mit me&me Organisationen auf dem Weg in dezentral-verteilte Führungsorganisationen begleiten, tun wir dies anhand des me&me Modells.
    🔗https://me-and-me.ch/arbeitsweise/

    Entsprechend braucht es nach meiner Überzeugung auf dem Weg in die Selbstorganisation Entwicklung von System (Strukturen & Praktiken) UND Mensch (Zusammenarbeit & Individuum).

    Gleichwohl ist eine veränderte Haltung bei den Machthabern aber häufig der erste Schritt, um eine strukturelle Änderung auch nachhaltig zu ermöglichen.

    Aus unserer eigenen Erfahrung haben wir unsere Transformationsprinzipien erstellt, die einen möglichen Weg (unabhängig von den gewählten Strukturen) aufzeigen. Und in diesen hat das Thema persönliche Entwicklung auch einen nicht unrelevanten Stellenwert.

    Bin gespannt auf weitere Meinungen dazu.

    Herzliche Grüsse
    Ralf

    1. Lieber Ralf, danke für deinen Kommentar. Ich denke auch, dass es sowohl Strukturen (System) als auch Einstellungen (Mensch) braucht. Ich merke jedoch, dass es mir je länger desto schwerer fällt zu meinen, Einstellungen zu beeinflussen. Eigentlich denke ich, dass man dies nicht kann.
      Aber man kann Strukturen ändern und die haben dann Einfluss auf Einstellungen. Welche das sein werden, kann man aber beim Verändern der Strukturen nicht voraussagen. Allenfalls muss man dann eben wieder die Strukturen ändern….

      1. Lieber Urs

        wenn wir in der Transformationsbegleitung sind, können wir nicht oft genug wiederholen, dass es immer wieder Überraschungen gibt.

        Wir wissen effektiv nicht, welche Menschen bereit sind, die neuen Strukturen auch so zu nutzen, dass diese effektiv sind.

        Ich habe dabei also gar nicht den Anspruch, dass alle Menschen bereit sind, sich weiterzuentwickeln. Es sind effektiv nur Angebote, die eine Organisation dann ausspricht, wenn sie der Überzeugung ist, sich dorthin entwickeln zu wollen / zu müssen.

        Und ganz klar braucht es dabei auch deswegen ein iterratives Vorgehen. Weil ich ja nicht weiss, was tatsächlich passieren wird, kann ich nur mit Thesen arbeiten und diese immer wieder mit dem Ergebnis abgleichen und dann neu handeln.

        Ich arbeite dabei einfach grundsätzlich mit der Haltung: Ein Mensch kann sich immer verändern und weiterentwickeln – wenn er dies möchte.

        Das einzige, was Organisationen meiner Erfahrung nach hierfür tun können, ist klar zu machen, dass es ihr mit der Veränderung wirklich ernst ist. Der Druck kann so bei Menschen steigen.

        Und die einen lassen sich dann darauf ein, andere gehen möglicherweise.

  3. Die Frage bzw. Aussage ist zu unspezifisch und ohne Kontext: Was ist hier mit „selbstorganisiert“ gemeint, woran erkennen wir, das es genügt und welche Haltung zu was müsste wie geändert werden? Usw. Das birgt Risiken (z. B. Missverständnis, Unklare Erwartungen) und Möglichkeiten zur Verbesserung. Daher: Einwand.
    Zudem weisst sie auf einen klaren Ursache-Wirkungszusamenhang hin. (i. S. v. „wenn ich meine Haltung ändere, wird es (sicher) gut“). Das ist in sozialen Systemen sehr unwahrscheinlich. Organisationen haben ein Eigenleben. Man kann nicht von den Menschen auf die Organisation schliessen.
    Die von Dir, Urs erwähnte (hier von mir als Rationalität verstandene) Entscheidungsfreiheit der Organisationsmitglieder würde ich stark in Zweifel ziehen. Viele Menschen in Organisationen verhalten sich völlig entgegen ihren (bewussten) Zielen, Denkmustern, Wünschen, Erwartungen. Das kommt ja irgendwo her 😉

    1. Lieber Reto, ob sich viele Menschen in Organisationen entgegen ihren Zielen, Denkmustern, Erwartungen verhalten mag ich nicht recht glauben. An was machst du das fest und woher denkst du, dass das kommt?

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