[Streit!] Kann ein Team innerhalb eines sonst hierarchisch organisierten Betriebs selbstorganisiert arbeiten?

Mit der Streit!-Rubrik wollen wir den Austausch rund um Themen der Selbstorganisation fördern. Wir liefern eine Aussage, die in Diskussionen rund um Selbstorganisation immer wieder auftaucht und ihr könnt auf unserer Webseite darauf reagieren. Zur Auswahl stehen folgende Reaktionen: Konsent, leichte Bedenken, schwerwiegender Einwand. Weiter bitten wir euch, mittels Kommentarfunktion einen Kommentar dazu zu verfassen. Dort findet ihr auch die Meinung derjenigen, welche die Aussage ins Spiel gebracht haben. Die heutige Aussage lautet:

Ein Team kann selbstorganisiert arbeiten, auch wenn die Organisation sonst hierarchisch organisiert ist.

Die Aussage wurde von Urs Kaegi eingebracht. Seine Meinung zur Aussage findet ihr in den Kommentaren.

Was meint ihr zur Aussage?

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Urs Kaegi (Alle Beiträge sehen)

em. Professor der Fachhochschule Nordwestschweiz, selbständiger Coach und Organisationsberater

Schwerpunkte: Kooperation in Organisationen, organisationaler Wandel

Falls Sie ihm ein Buch oder einen Artikel unterbreiten möchten, können Sie dies unter folgender Postadresse tun:

Urs Kaegi, c/o EcoSolidar, Dornacherstrasse 192, CH-4053 Basel

Bitte beachten Sie, dass nicht alle eingesandten Bücher in die Literaturempfehlungen aufgenommen werden können. Dafür bitten wir um Verständnis.

urs.kaegi@netzwerkselbstorganisation.net

7 Gedanken zu “[Streit!] Kann ein Team innerhalb eines sonst hierarchisch organisierten Betriebs selbstorganisiert arbeiten?”

  1. Ja, das geht! Kein schwerwiegender Einwand. Allenfalls leichte Bedenken.

    Grundsätzlich gehe ich davon aus, dass sich ein Team sehr gut selbstorganisiert steuern kann, auch wenn die Organisation und alle anderen Teams in der Organisation hierarchisch sind. Wahrscheinlich wird eine solche Konstellation zu Irritationen führen, worin ich aber immer Chancen für Entwicklung sehe. Frei nach dem Motto: keine Evolution ohne Revolution!

    Macht sich ein Team allein auf den Weg, so stehen ihm verschiedene Tools der Selbstorganisation zur Verfügung. Beispielsweise jeden Morgen ein 10minütiger Daily Stand Up, bei dem man sich trifft und jede/r ganz kurz mitteilt, womit sie resp. er an diesem Tag beschäftigt ist.
    Zudem können die verschiedenen Funktionen, welche das Team zum Arbeiten benötigt, mit offener Wahl gemäss der Soziokratie vergeben werden. Ob das die Rolle einer Moderation, das Führen des Logbuchs oder eine befristete Teamleitung ist, muss das Team anhand seiner Aufgaben entscheiden. Dabei scheint mir wichtig, dass vor einer Wahl die Rolle/Funktion detailliert beschrieben wird. Dazu gehört u.a., dass diese einer zeitlichen Beschränkungen unterliegt.
    Oder man entscheidet sich im Team, nicht mehr nach Konsens zu entscheiden, sondern nach dem Konsent-Prinzip. Dies am praktischen Üben zu erlernen empfehle ich sehr.
    Generell stellt sich die Frage, wie die Kompetenzen zur Selbstorganisation im Team aufgebaut werden. Literatur dazu gibt es einige, gerne verweise ich da auf das Praxisbuch von Christian Rüther (https://www.soziokratie.org/wp-content/uploads/2023/03/buch-konsent-moderation1.6-gratis-mit-cover.pdf). Nach meinen Beobachtungen lohnt es sich ein Teammitglied für die Umsetzung zu schulen, oder sich für begrenze Zeit ein Coaching zu organisieren, um zu lernen, Selbstorganisation im Alltag umzusetzen. Dazu braucht das Team ein Bildungsbudget.

    Aber, deshalb meine leichten Bedenken, bei der Selbstorganisation in einer ansonsten hierarchischen Organisation braucht es manchmal Anpassungen. Dies aufgrund von Anforderungen die meist von aussen an das Team gestellt werden. So könnte die Organisation darauf bestehen, dass eine «Teamleitung» gegen aussen bezeichnet wird und diese das Team in den weiteren Gremien zu vertreten hat.

    Und wie geschieht der Entscheid, auf Selbstorganisation umzustellen? Häufig trägt ein Teammitglied die Idee ins Team und die andern lassen sich begeistern. Häufig sind es aber auch Teamleitende, welche erkennen, dass sich Führung besser mit geteilten Verantwortungen umsetzen lässt.

  2. Hallo,

    ja, ich stimme zu. Selbstorganisation funktioniert auch in ansonsten hierarchischen Organisationen, habe ich so erlebt.
    Aus meiner Sicht sollte für die Einführung / Umsetzung auf jeden Fall ein Coach zur Verfügung stehen. Die Umsetzung durch ein geschultes Teammitglied…, da habe ich meine leichten Bedenken…
    Eine Schulung aller Teammitglieder in Selbstorganisation ist aus meiner Sicht auch obligatorisch.
    Eine wichtige Gelingensbedingung ist aus meiner Sicht, dass es eine „mächtige“ Unterstützung (einen „Anführer“) in der Organisation gibt, der seine Hände über das zarte Pflänzchen der Selbstorganisation hält und diese will und unterstützt.
    Herzliche Grüße
    Gerd

  3. Ja, ich denke, das kann funktionieren – gut gerahmt!
    Neben Coaching etc. für das selbstorganisierte Team, würde ich überlegen, wie die hierarchisch organisierte Organisation einbezogen werden kann. Zunächst mit einer Ankündigung, dass das Team selbstorganisierte arbeiten wird, wozu es das tun wird und was das konkret für dieses Team und die restliche Organisation bedeutet, welche Konsequenzen das für alle Beteiligten haben kann. Dann würde ich immer wieder aus dem selbstorganisierten Team berichten, darüber welche Erfahrungen sie mit der SO machen, was sich bewährt, was gut läuft, auch welche Schwierigkeiten aufgetreten sind und wie das Team damit umgegangen ist. Idealerweise weckt das die Neugier in der hierarchischen Organisation, und macht Lust weitere Bereiche zu definieren, in denen mit der Selbstorganisation experimentiert werden kann.

  4. Ja, das funktioniert, ABER:
    Dafür müssen die Spielregeln für beide Seiten klar geregelt sein.
    Denn die Teammitglieder müssen wissen, ab wann die hierarchische Organisation zieht und bis wohin das selbstorganisierte Team autark agieren kann und darf.
    Wenn das einer torpediert oder sich nicht daran hält, fällt das ganze auseinander.
    Oder aber, wenn die Hierarchie glaubt, auf Entscheide des Teams direkt Einfluss nehmen zu müssen, zerbricht das ganze Gefüge ebenfalls.

    Ein weiterer wichtiger Punkt ist: Aus welchem Umfeld kommt das selbstorganisierte Team, also welche prägende Kultur herrschte früher vor?
    War es eine hierarchische, wird das Team immer wieder in Muster zurückfallen, bei welchen es den Ansagen des hierarchischen Managements mehr folgen wird als den Beschlüssen des eigenen Teams.
    Kommt das Team aber aus einem selbstorganisierten Umfeld (z.B. durch Übernahme) wird es sehr schnell zu offenen Kämpfen um Deutungs- und Entscheidungshoheiten kommen.

    In beiden Fällen braucht es ein enges Coaching, im 2. Fall aber früher.

    Unterschätzt nie die Einflüsse der Kultur der Teams, der Unternehmen, aber auch der Team-Mitglieder.

  5. Die Frage, die sich mir stellt, ist: Wie definiert sich die Selbstführung dieses Teams? Wäre es eine rein organisatorische (Rollenaufteilung, Sitzungsorganisation)? – Dann scheint das gut möglich, es tangiert die Hierarchie nicht besonders, ausser in der eventuellen Änderung von Ansprechpersonen.

    Bedenken habe ich in der Zusammenarbeit mit anderen Teams: Das Selbstverständnis eines selbstorganisierten Teams ist ein anderes als das eines hierarchisch geführten, mitunter spricht man „verschiedene Sprachen“, dies erschwert die Zusammenarbeit, meiner Meinung nach.

    Ausserdem ist das Vorhaben, selbstorganisiert innerhalb einer hierarchisch geführten Organisation zu arbeiten, komplett abhängig von der Führung, bzw. deren Gutheissung, was es dann zu einem Experiment machen könnte, das jederzeit wieder gekippt werden kann.

    Aus meiner Perspektive also: Ja, vielleicht.

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