Abstract
Mit Kolleginnen und Kollegen aus dem NetzwerkSelbstorganisation und von ausserhalb haben wir eine Lerngruppe zum Thema Soziokratie gebildet und an drei Abenden (ein Abend pro Monat) die ersten drei Sitzungen des Programms von SociocracyForAll.org durchgespielt. Hier teilen wir unsere Lernprotokolle.
SociocracyForAll.org
Link: https://www.sociocracyforall.org
SociocracyForAll (SoFA) bietet ein Soziokratie-Lernprogramm in sechs Einheiten.
Einheit 1: Kreise, Rollen und Wahlen
Einheit 2: Sitzungen, Zusammenarbeit und gemeinsam Vorschläge erarbeiten
Einheit 3: Treffen von Entscheidungen
Einheit 4: Organisationen. Das was wir bisher im kleinen Rahmen gelernt haben, wie wird das in die grosse Organisation übertragen?
Einheit 5: Feedback. Wie können wir uns als Organisation weiterentwickeln, uns verbessern in unserer Kommunikation?
Einheit 6: Rückblick und Übungen
Das Lernprogramm gibt es auf Englisch und auf Spanisch und ist kostenlos. Optional bietet SoFA die Begleitung seitens eines Experten, einer Expertin an, wodurch Kosten entstehen.
Jede Einheit besteht aus unterschiedlichen Unterlagen und Texten (wobei das Lesen optional ist, gut ist, wenn zumindest ein Teil der Lerngruppe sie liest) und einem Video mit Theorie und Übungen. Dauer pro Einheit: ca. 1h30m, davon ca. 30 Minuten Video und der Rest Übungen und Diskussion.
Nach jeder Einheit wird ein Lernprotokoll erstellt, in dem das gelernte zusammengefasst und allfällige Fragen und Diskussionen festgehalten werden. Gerne teilen wir unsere Protokolle mit euch.
Anmerkung: Aufgrund der Massnahmen im Kampf gegen Corona sind wir vorläufig bei Einheit 3 stehen geblieben.
Einheit 1: Kreise, Rollen und Wahlen
Link: https://www.sociocracyforall.org/elc/session-1/
Zentral bei Soziokratie sind Kreise. Kreise/Runden bieten folgende Vorteile:
- Alle kommen zu Wort, nacheinander, der Reihe nach
- Es wird nicht unterbrochen
- Es wird anderen zugehört, statt zu denken „wann kann ich dazwischen gehen?“
- Es ist effizienter, weil es nicht ständig hin und her geht und weil es nur um die Sache geht. Das Risiko abzuschweifen ist geringer.
Wir merken: Zuhören können braucht Übung! Wir haben diesen „Ja, aber…“-Impuls, den es abzustellen gilt. Wir haben das Gefühl, wir müssten uns stets aktiv beteiligen. Statt „Ja, aber…“ müssen wir warten bis wir an der Reihe sind.
Tipp: Sich Notizen machen, was gesagt wurde, wenn wir an der Reihe sind können wir darauf Bezug nehmen (oder auch nicht). Oftmals relativiert sich die Wichtigkeit eines ursprünglich angedachten Einwandes bis wir an der Reihe sind. Was uns zuerst wichtig erschien, wird zur Nebensache. Das Warten hat also eine Filterfunktion, wodurch wir uns nur auf das fokussieren, was uns wirklich wichtig ist.
Facilitator = Facilitator erleichtern die Sitzungen. Sie kümmern sich um Termine, die Inhalte, die Bereitstellung von Materialien zur Vorbereitung und moderieren die Sitzung. Sie sorgen dafür, dass die Abläufe eingehalten werden.
Leader = Leader behalten den Blick für’s grosse Ganze. Was sind die nächsten Schritte? Wird sich an den Plan gehalten? Ist die Gruppe auf Kurs? Welche Einflüsse von ausserhalb des Kreises müssen berücksichtigt werden?
Secretary = Führt Protokoll, hält Entscheidungen fest, aber auch Fragen die gestellt werden.
Sind diese Rollen und Aufgaben in Stein gemeisselt? Nein, sie werden vom Kreis festgelegt (siehe unten). Die Rollen sind als Vorschlag zu verstehen, was heisst, auch Begrifflichkeiten können angepasst werden (z.B. Pilot, Captain, Trainer statt Leader). Ebenso können stets neue Rollen geschaffen werden, entsprechend den sich stellenden Aufgaben.
Warum ist nicht der Leader der Facilitator? Weil die Rollen unterschiedliche Fähigkeiten erfordern. Ein Facilitator muss über gute kommunikative Fähigkeiten verfügen, muss sich vor einer Gruppe wohl fühlen, zuhören können und zusammenfassen können. Ein Leader muss andere zur Verantwortung ziehen, einen Blick dafür haben, was zu tun ist. Kann eine Person beides, kann sie sowohl Leader als auch Facilitator sein, oftmals ist dies jedoch nicht der Fall.
Warum sind Notizen so wichtig? Damit alle über Entscheidungen/Richtlinien Bescheid wissen können und diese auch nachvollziehen können. Stichwort: Transparenz.
1.1 Ablauf einer Wahl/Entscheidung
1) Die Rollen, die damit verbundenen Aufgaben sowie die Dauer der Besetzung werden im Kreis definiert. Welche Rollen braucht es? Welche Aufgaben sollen damit verknüpft sein? Wie lange soll die Rolle bestehen und wie lange soll sie von einer Person besetzt werden? Für unsere Lernerfahrung begrenzten wir uns auf die oben beschriebenen Rollen von Facilitator, Leader und Secretary.
Konsent Runde: Bestehen schwerwiegende Einwände? Wenn ja, wird nach einer ersten Runde gefragt, welche. Gemeinsam wird eine neue Lösung erarbeitet, in welcher der schwerwiegende Einwand berücksichtigt wird.
2) Es werden die Voraussetzungen (Fähigkeiten/Kompetenzen) zusammengetragen, über die eine Person verfügen muss, um eine Rolle erfüllen zu können (wie immer im Kreis)
Konsent Runde.
3) Jede Person aus dem Kreis nominiert eine Person für die bestimmte Rolle und begründet die Nominierung:
„Ich MeinName nominiere NameDerNominiertenPerson, weil … und weil …“
Die Nominierung erfolgt offen und wie immer im Kreis. Dieses Vorgehen der offenen Nominierung führt zu mehr Wissen bezüglich den einzelnen Gruppenmitgliedern innerhalb des Kreises. Vielleicht kennen sich die Mitglieder eines Kreises nicht so gut. Wenn ich sage „Ich Matthias nominiere Lisa als Leaderin, weil sie eine angenehme Art hat, mich zu erinnern, was ich zu tun habe, wenn ich etwas vergesse und weil sie im Projekt X bewiesen hat, dass sie dazu fähig ist, die Rolle zu erfüllen“ dann wissen die Mitglieder des Kreises schon etwas mehr über Lisa. Vielleicht kennen sich die Mitglieder des Kreises schon gut, aber hatten Lisa bislang nicht so auf dem Schirm, weil sie nicht die Person ist, die sich in den Vordergrund stellt. Was wenn sich die Mitglieder gar nicht kennen? Selbst dann lassen sich Einschätzungen vornehmen.
4) Nachdem alle Nominierungen gehört wurden, besteht die Möglichkeit, aufgrund des neuen Wissens, die eigene Nominierung zu ändern. Die sogenannte Change-Runde. Dabei kann auch die erste Nominierung beibehalten werden.
5) Haben alle aus dem Kreis eine Person nominiert, trifft eine der anwesenden Personen auf der Basis aller Nominationen und Begründungen eine Entscheidung und formuliert diese als Vorschlag und begründet seine Entscheidung
„Ich schlage vor, dass NameDerPerson die Rolle der/des ___ einnimmt, weil … und weil …“
Konsent Runde. Wichtig ist zu beachten, dass sich in dieser Konsent Runde die für die Rolle vorgeschlagene Person zuletzt äussert. Grund: Es kommt oft vor, dass Menschen es sich selbst nicht zutrauen eine bestimmte Rolle zu erfüllen. Wenn sie dann aber sehen, die anderen trauen es mir zu, entscheiden sie sich doch dafür, die Rolle zu übernehmen. Dies trägt der persönlichen Entwicklung der jeweiligen Menschen bei. Ebenfalls zur Personalentwicklung beitragen tut die Begrenztheit der Dauer einer Rolle, so können sich mehrere Personen daran versuchen und lernen.
Liegen Einwände gegen den Vorschlag vor, so gibt es verschiedene Wege, um diesen Einwänden beizukommen. Es kann beispielsweise die Dauer begrenzt werden „wir versuchen es mal drei Monate“, es können Unterstützungen definiert werden „XY begleitet X bei Bedarf“.
Wer den Vorschlag formuliert, sollte vorab definiert werden. Dies muss nicht immer der Facilitator sein.
1.2 Unsere Wahlen
Facilitator muss (u.a.)
- Eine gewisse Ruhe ausstrahlen
- Über gute kommunikative Fähigkeiten verfügen
- Zeit haben
Vorgeschlagen und nominiert wurde: Urs, der ebenfalls als Leader fungiert
Secretary muss (u.a.)
- Aufmerksam sein können
- Schnell schreiben können
Nominiert wurden Xenia und Matthias.
Vorgeschlagen und nominiert wurde: Matthias
1.3 Fragen, die wir uns im Prozess gestellt haben und unsere Antworten darauf
Warum nicht einfach abstimmen statt nominieren und Konsent?
Bei Abstimmungen werden die Gegenstimmen ignoriert. Sie haben so gut wie kein Gewicht. Wir erfahren nicht, aus welchem Grund jemand dagegen ist und können den Vorschlag auch nicht dementsprechend anpassen.
Mit Nominierung und Konsent erfahren wir, aus welchem Grund jemand jemanden nominiert, was Wissen generiert. Mitttels der Konsent-Runde erfahren wir, ob ein Einwand besteht. Da jeder Einwand begründet sein muss, erfahren wir weshalb. Dies erlaubt es uns eine Lösung finden, die von allen mitgetragen werden kann.
Muss die Methode stets so streng angewendet werden? Muss es immer so sein, dass einer nach dem anderen spricht/im Kreis?
Nein, sie muss der Sache dienen. Es kann auch gesagt werden „Machen wir 10 Minuten Debatte“ um die Debatte abzuschliessen sollte dann aber wieder eine Runde gemacht werden „Wo stehen wir jetzt?“.
Gibt es eine Maximalgrösse für Gruppen, um die Kreis-Methode anzuwenden?
Diese Frage stellte sich aus dem O-Ton „Anstrengend, langwierig“ heraus.
Zum einen scheint es nur anstrengend und langwierig, weil es ungewohnt ist zuzuhören, sich zurückzuhalten und nur dann etwas zu sagen, wenn man der Reihe ist. Zum anderen geht vergessen, welche endlosen Debatten über Nichtigkeiten und endlose Exkurse oder Abschweifungen dadurch erspart bleiben.
Gefühlt ist es weniger produktiv, tatsächlich aber ist es produktiver, weil sich auf die Sache konzentriert wird, alle zu Wort kommen (=mehr Wissen) und sich alle kürzer fassen (=Filter, was ist wirklich wichtig). Letzteres muss jedoch vom Facilitator durchgesetzt werden.
Bei grösseren Gruppen (bei mehr als 8-12 Personen) besteht die Möglichkeit, diese in kleinere Gruppen zu teilen, dann eine Gruppe aus Repräsentantinnen aller Gruppen zu machen, womit darin alle Meinungen vertreten sind. Die Repräsentanten werden jeweils mittels offener Wahl gewählt.
Dem/Derjenigen, der/die am Ende den Vorschlag ausarbeitet kommt sehr viel Macht zu, insbesondere dann, wenn es gleichzeitig der/die Facilitator ist.
Das stimmt einerseits, aber dann auch wieder nicht. Der/diejenige der/die den Vorschlag erarbeitet, muss die Meinung der anderen berücksichtigen und den Vorschlag begründen. Sind Vorschlag und Begründung nicht nachvollziehbar, kann dieser spätestens in der Konsentrunde verworfen werden. Dies begrenzt die Macht des/der Verfassenden.
Einheit 2: Sitzungen, Zusammenarbeit und gemeinsam Vorschläge erarbeiten
Link: https://www.sociocracyforall.org/elc/session-2/
Letztes mal haben wir gelernt wie mittels Runden alle zu Wort kommen. Dieses mal lernen wir den Ablauf einer Soziokratie-Sitzung und wie in der Soziokratie gemeinsam Vorschläge erarbeitet werden.
Das Video bietet zu Beginn keine Übersicht zum Ablauf einer Soziokratie-Sitzung. Das ist schade. Ebenso wäre dies zu Beginn von Einheit 1 als Einstieg in den Kurs wünschenswert, denn die Struktur einer Sitzung ist eines der zentralen Merkmale der Soziokratie und sollte explizit erwähnt werden.
Der Ablauf ist wie folgt:
- Check-in Runde
- Admin
- Inhalt
- Check-out Runde
Credo: Sind der Ablauf und die Rahmenbedingungen klar definiert, können wir uns auf die Gruppe und die Arbeit konzentrieren. Sitzungen können sowohl nur Policy (Strategie) als auch nur operative (Tägliches Geschäft) Inhalte aufweisen oder eine Mischung aus strategischen und operativen („Sociocracy for all“ plädiert für eine Mischung aus beiden Policy und operative, weil vielseitiger).
2.1 Check-in Runde
Wie in allen Soziokratie-Kreis-Sitzungen starten wir mit einer Check-in Runde. Wie sind wir in Sitzung hineingekommen, was haben wir am Tag erlebt, wie geht es uns?
Die Funktion der Check-in Runde: Da wir etwas von uns selbst mit der Gruppe teilen, sind als ganzheitliche Menschen anwesend, es eint den Kreis und es sorgt dafür, dass wir uns auf den Kreis konzentrieren können.
Anmerkung: Es geht nicht darum, dass jeder „Check-in“ „Check-in“ „Check-in“ „Check-in“ sagt. Es geht darum, etwas von sich zu mitzuteilen.
2.2 Admin
Wissen wir schon, wann wir uns das nächste Mal Treffen? Gibt es etwas, was wir mitteilen möchten?
Admin steht für: Attendance/An-und Abwesenheiten, Duration/Dauer der Sitzung festlegen, Minutes/Notizen der letzten Sitzung, haben die alle bekommen? Alles klar? Information/Möchte jemand etwas mitteilen? Next Meeting/Termin für die nächste Sitzung festlegen.
Die Funktion dieses Teils: den Kreis in die Sitzung hineinbegleiten. Jetzt ist der Kreis bereit.
Bei uns hatte niemand etwas mitzuteilen, es wurde vorgeschlagen den Entscheid bezüglich eines Termins für die nächsten Sitzung auf das Ende der Sitzung zu legen.
2.3 Inhalt
Der Facilitator erläutert, was auf der Agenda steht. Traktanden werden vor der Sitzung gesammelt (elektronisch oder sonst wie), der Facilitator trifft eine Auswahl und stellt diese vor. Reihenfolge in der wir Traktanden bearbeiten, wie viel Zeit wir je Traktandenpunkt aufwänden, welchen Outcome wir anstreben (Entscheidung, Exploration, …). Der Kreis gibt sein Konsent oder nicht (Konsent=Abwesenheit von schwerwiegenden Einwänden). Dies geschieht wie immer im Kreis der Reihe nach. Gibt es einen schwerwiegenden Einwand, muss eine neue Lösung erarbeitet werden. Bis alle ihren Konsent geben.
Es wurde angemerkt, dass die Bestimmung der Traktanden und der Reihenfloge in einer Sitzung sehr lange dauern kann. Dazu eine persönliche Anmerkung des Secretary: Aus diesem Grund braucht es gute, geübte Facilitator. Es ist Aufgabe des Facilitators eine Lösung zu finden und diesen Prozess kurz zu halten. Gegebenenfalls muss der Facilitator die Mitglieder des Kreises daran erinnern, was „schwerwiegender Einwand heisst“ (siehe Einheit 3) nämlich „ich kann nicht weiterarbeiten bis zur nächsten Sitzung ohne dass das geklärt wird“ oder „der Zweck der Organisation kann so nicht erfüllt werden“. Muss noch etwas in die Agenda aufgenommen werden, gibt es die Möglichkeit mittels Konsent etwas weniger wichtiges aus der Agenda zu kippen „a) wir kippen… Konsent? b) wir kippen… Konsent?“. Aufgabe des Facilitator ist es Ego-Trips handzuhaben und ein Kompromiss finden, oder überall etwas Zeit wegnehmen, damit das auch noch kurz Platz hat. Kurzum: Alles steht und fällt mit dem Facilitator.
Jennifer Rau, welche die Videos von SoFA jeweils moderiert, schlug uns für die heutige Einheit vor, dass sie uns etwas über Soziokratie generell erzählt (was ist Soziokratie, wie ein Meeting aussieht) dann dass wir gemeinsam ein Proposal (Vorschlag) erarbeiten sollten. Konsent Runde: Wir gaben unseren Konsent.
Warum gibt es Organisation?
a) Es gibt Dinge, die wir alleine nicht tun können
b) Damit wir diese Dinge tun können, sind wir auf andere angewiesen. Damit wir sie mit anderen zusammen tun können, braucht es eine Governance (Steuerung), die für Wirksamkeit (effectiveness), Gleichberechtigung (equivalence) und Transparenz (transparency) sorgt, denn es werden alle Köpfe und Hände benötigt, um gemeinsam das Ziel zu erreichen. Nur gemeinsam, schaffen wir das, was wir schaffen wollen (Wirksamkeit). Es gefällt uns mit anderen zusammen zu arbeiten und einen Beitrag zu leisten, auf Augenhöhe (Gleichberechtigung). In einer Gruppe gibt es stets viele verschiedene Sichtweisen, Ideen und ganz viel verschiedenes Wissen und verschiedene Kompetenzen. Wie können wir die alle ernten und nutzen? Das ist die Stärke einer Organisation (Transparenz).
Die meisten Steuerungs-Mechanismen bieten das nicht. Autokratie: Einer sagt, wo es lang geht, die Reaktion: Rebellion, denn ich will mitbestimmen, was ich tue, wie und warum (Selbstbestimmung). Bei Mehrheitsabstimmung werden 49.9% „Nein-sagende“ nicht gehört, warum sind sie dagegen? Vielleicht gibt es gute Gründe? Wie könnten diese berücksichtigt werden? Wie kann eine bessere Lösung erarbeitet werden? Bei Mehrheitsbestimmung müssen sich 49.9% der Mehrheit beugen. Punkt. Konsens: alle müssen einverstanden sein. Eine Person die nicht einverstanden ist, erhält extrem viel Macht und hält alle andere auf. Endlose Diskussionen sind die Folge.
In der Soziokratie müssen nicht alle einverstanden sein, es sollte lediglich keine schwerwiegende Einwände geben. Soziokratie bedeutet ein Kulturwandel.
An diesem Punkt will das Video erklären, dass Soziokratie ein Werkzeugkasten ist und woraus dieser Werkzeugkasten namens Soziokratie besteht. Leider war dieser Teil des Videos für uns nicht ganz nachvollziehbar, daher greifen wir an dieser Stelle auf eine andere Darstellung zu.
Die vier Grundprinzipien der Soziokratie sind:
a) Konsentprinzip (oben erwähnt)
b) Kreisprinzip (wie letztes Mal gesehen: es wird im Kreis gesprochen und gewartet bis man an der Reihe ist)
c) Doppelte Koppelung (Teil von Einheit 4, kurz: unterschiedliche Kreise sind miteinander verbunden durch sogenannte „Delegierte“)
d) Offene Wahl (wie letztes Mal gesehen: wir sagen offen wen wir wählen und warum, damit es eine grösstmögliche Vielfalt an Informationen gibt und der/die beste ausgesucht werden kann)
Mehr zu den vier Grundprinzipen der Soziokratie in diesem Video des Soziokratie Zentrum Schweiz auf unserer Netzwerk Seite: https://netzwerkselbstorganisation.net/videos/e1/ (empfehlenswert!).
Wir legten eine Reaktions-Runde ein. Wir konnten einiges nicht nachvollziehen, was im Video gesagt wurde.
In der Gruppe wurde indes darauf hingewiesen, dass auch bei Soziokratie ein gewisser Druck seitens der Mehrheit herrscht. Wenn vier den Konsent geben, dann sagt der fünfte wohl nicht nein. Aber heisst das, dass sein Einwand nicht schwerwiegend genug ist, um den Konsent zu verweigern? Oder dass er die Entscheidung der anderen mitträgt, trotz Einwand, was in der Soziokratie bzw. im Konsent (anders als im Konsens) durchaus auch vorgesehen ist? Dennoch lässt sich ein gewisser Druck wohl nicht abstreiten.
Die Entscheidungsmatrix von SoFA wird im Video eingeblendet. Hier war das Video etwas zu schnell und unklar, was schade ist, denn die Matrix bietet eine gute Übersicht.
Download der Matrix: hier.
(Credits: SoFA)
SoFA unterscheidet neben dem Ablauf einer Wahl (siehe Einheit 1) zwei weitere Abläufe für Sitzungen: Operational Meeting und Policy Meeting.
Operational Meeting: Wer macht was, wer braucht welche Maschine und wann, wer arbeitet wann. Alles „was wir tun“ in den Kreisen. Es geht um die Arbeit selbst. Das hier und jetzt.
Policy Meeting: Generieren eines Vorschlags. Entscheidungen Treffen bezüglich Vorschlägen. Hier geht es darum „wie wir etwas tun“. Rahmenbedingungen, generell längerfristig, Grundsatzentscheidungen. Es sind Guidelines, Leitlinien/Richtwert zur Unterstützung des Prozess. Diese werden gemeinsam erarbeitet, kommen nicht von aussen.
Wir diskutierten, dass es manchmal nicht einfach ist, zu sagen, ob etwas nun policy oder operational ist. Tipp: Sich nicht auf Terminologien/Definitionen fixieren, sondern: Welcher Ablauf passt gefühlsmässig besser für das , was wir jetzt vorhaben? Je nach Traktandum => Pragmatisch. Hauptsache das Vorgehen passt zum Traktandum.
SoFA plädiert in den Unterlagen für mixed Sitzungen, was in einem pragmatischen Ansatz mündet, für den auch wir stets plädieren.
2.3.1 Wie wird Policy generiert?
Um den Prozess zu veranschaulichen wird im Video ein Policy-Making-Meeting Skype gezeigt. Zumindest veranschaulicht es, dass einer nach dem anderen zu Wort kommt, da jeweils nur eine Person auf dem Bildschirm ist. Das Beispiel: eine Gruppe will ihre Arbeit einer grösseren Organisation vorstellen und
Der erste Schritt beim Policy generieren ist das Picture forming, dann wird ein Vorschlag ausgearbeitet und am Ende geht’s in die Konsent-Runde.
a) Picture forming/Ein Bild generieren:
- Was ist das Problem? Was möchten wir erreichen?
- Was sind die Dimensionen des Problems? Was müssen wir berücksichtigen, bevor wir eine Entscheidung treffen können? (Merkmale/Merkmalausprägungen)
Jeder sagt eine Dimension, bis keiner weiter weiss. Dann Popcorn-Runde, sprich: Will noch jemand etwas sagen? (also ohne Kreis)
(Beispiel der Gruppe die ihre Arbeit einer grösseren Organisation vorstellen will: sollen sie den Prozess oder nur das Produkt vorstellen? Soll es eine interaktive Komponente geben? Wer präsentiert? eine/r? alle? PowerPoint? Video? Text abgeben?)
- Ist die Liste der Dimensionen vollständig? => Konsent Runde
b) Proposal-shaping/Vorschlag ausarbeiten
Hierfür werden nun Ideen gesammelt => Runde (ggf. Popcorn-Runde). Der Vorschlag soll gemeinsam erarbeitet werden, also sollen alle ihre Ideen miteinbringen.
Wurden in den Ideen alle Dimensionen abgedeckt?
Durch die gemeinsame Erarbeitung, wird die Verantwortung des Resultats auf alle verteilt, es ist nicht nur einer/eine, der/die hinstehen muss und riskiert auseinandergenommen zu werden.
Die Ideen werden nun geordnet, und zusammengefasst, um einen Vorschlag zu formulieren (dies erledigt meist ein Teammitglied alleine, es können aber auch mehrere sein). Wichtig ist, dass die zuvor generierten Ideen berücksichtigt werden. Ist ein Punkt umstritten, ist es wichtig, etwas in den Vorschlag einzubauen, dann können die anderen Konsent geben oder nicht. Wurden alle Dimensionen im Vorschlag berücksichtigt?
c) Erläuterung des Vorschlags. Kurze Fragerunde bezüglich des Vorschlags: gibt es Verständnisfragen? Ist allen klar, was der Vorschlag ist? Hier geht es rein um Verständnisfragen, nicht um Einwände. Letztere finden ihren Platz in der Konsentrunde. Sind Verständnisfragen geklärt, findet eine Konsent-Runde statt. Gibt es Einwände, wird der Vorschlag entsprechend angepasst und geht in eine weitere Konsent-Runde. Je nach Umfang der Anpassung ist es nötig, den Vorschlag erneut zu erläutern, samt Verständnisfragen etc.
Mehr zum Thema Einwand und Anpassung eines Vorschlags in Einheit 3.
Leider blieb uns keine Zeit, die Übung selbst durchzuführen. Daher hier ein fiktives weiteres Beispiel: Wir planen ein Waisenhaus in Venezuela zu eröffnen
a) Picture Forming. Es herrscht Konsent darüber, dass Kinder in Venezuela ein Dach über dem Kopf brauchen. Dimensionen im Kreis sammeln: Standort (Stadt/Land, Süden/Norden, Sicherheit), Grösse, Budget, Finanzierung, Wie viele Mitarbeiter, Aus-/Bildung, Neubau oder Renovation, Betreuungskonzept, Rechtliche/Behördliche Vorgaben.
b) Proposal-shaping. Ich finde eher ländlich für 20 Kinder, Budget 1 mio, ohne Schule. Ich bin eher für in der Stadt, für 35 Kinder mit Budget 3 mio mit Schule. Ich bin für im Süden, 2 mio. Budget, eine Schule braucht es unbedingt.
c) Facilitator oder sonst wer erläutert den Vorschlag „Wir bauen im Süden am Stadtrand für 25 Kinder einen Neubau mit Schule (…)“ => Konsent-Runde
2.4 Check-out Runde
Das Video schien uns stellenweise sehr unklar zu sein. Es braucht also bei dieser Einheit zusätzliche Unterstützung seitens einer Person mit Erfahrung. Dies führte zu längeren Diskussionen, was am Ende zur Folge hatte, dass wir keine Zeit mehr hatten für die Übung.
Die Tatsache, dass wir keine Zeit hatten für die Übung, sorgte dafür, dass es für die eher Learning by doing veranlagten unter uns eher schwierig war sich ein Bild zu machen.
Unsere Lösung: Nächstes mal wird sich ans Skript gehalten und Grundsatzdiskussionen am Schluss aufgenommen, wenn Zeit bleibt.
Die Gruppe freut sich weiterzumachen.
Einheit 3: Treffen von Entscheidungen
Link: https://www.sociocracyforall.org/elc/session-3/
Letztes Mal haben wir den Ablauf einer Soziokratie-Sitzung gelernt, wir haben Picture-Forming (Bild generieren) und Proposal-shaping (Vorschlag ausarbeiten) gemacht (siehe Einheit 2). Dieses Mal lernen wir, wie Entscheidungen getroffen werden.
1) Vorschlag Präsentation
2) Verständnisfragen-Runde
3) Schnelle Reaktionsrunde
4) Konsent-Runde (Einwand)
5) Entscheidung kommunizieren
Wie in Soziokratie-Sitzungen üblich, haben wir mit einer Check-In Runde begonnen. Nach einer Admin-Runde (siehe Protokoll Einheit 2) folgt die Erläuterung der Agenda: Treffen von Entscheidungen in Bezug auf ein Proposal (Vorschlag), Aim/Purpose (Ziel, Zweck), Objection (Einwand). Der Agenda wurde der Konsent gegeben.
3.1 Ablauf
Während wir letztes mal einen Vorschlag erarbeitet haben, geht es heute um die Entscheidung.
3.1.1 Vorschlag Präsentation
Es ist von grosser Bedeutung, dass der Vorschlag von allen verstanden werden kann und klar formuliert wird, dass sich genug Zeit genommen wird, um den Vorschlag zu präsentieren. Am besten wird der Vorschlag in schriftlicher Form mitgebracht oder sogar vorab ausgeteilt.
3.1.2 Verständnisfragen-Runde
„Habt ihr Verständnisfragen? Gibt es irgendwelche Informationen, die ihr braucht, um den Vorschlag zu verstehen? Versteht ihr den Vorschlag?“
Dies erfolgt, wie immer, im Kreis. Dabei geht es nicht darum, was die Menschen über den Vorschlag denken, was sie davon halten, sondern lediglich um das Verstehen. Antwort: „Ich verstehe den Vorschlag“ oder „Ich habe eine Frage: […]“. Alle erhalten die Chance Fragen zu stellen.
3.1.3 Schnelle Reaktionsrunde
Hier geht es darum, dass jede/r sagen kann, was sie/er vom Vorschlag hält, was er/sie darüber denkt oder fühlt. Dank für geleistete Arbeit kann hier ebenfalls zum Ausdruck gebracht werden. Hier können bereits kleinere Änderungen am Vorschlag vorgenommen werden. Werden grössere Änderungen vorgenommen, empfiehlt es sich zu Schritt 1 zurückzugehen und den Vorschlag erneut zu präsentieren, damit allen der aktuellste Vorschlag klar ist, denn gibt es viele Änderungen, ist es leicht den Überblick zu verlieren.
Wichtig ist, dass sich alle Beteiligten hier kurz fassen.
3.1.4 Konsent-Runde
Haben sich alle geäussert, geht es in die Konsent-Runde. Ziel sollte stets sein, schnell in die Konsent-Runde zu gelangen, damit es nicht zu sehr um Präferenzen geht. In der Konsent-Runde gibt es zwei Optionen „Ich gebe meinen Konsent“ „Ich habe einen Einwand“. Es gibt keine Enthaltung, damit niemand später sagen kann „Ich hab’s euch ja gesagt“. Die Gruppe soll als Gruppe voranschreiten. Gibt es Einwände, wird die Runde zu Ende geführt und am Schluss auf die Einwände eingegangen.
Mehr zur Unterscheidung von Präferenzen und Einwand weiter unten.
3.1.5 Entscheidung mitteilen
Der Entscheid wird allen mitgeteilt und in den Notizen festgehalten.
Reaktionsrunde der Lerngruppe: Teilen von uns war nicht ganz verständlich, wo Einwände eingebracht werden, da diese bereits in der schnellen Reaktionsrunde eingebracht werden könnten. Da es sich um eine schnelle (!) Reaktionsrunde handelt, werden Rückmeldungen angehört, vertieft darauf eingegangen wohl erst in der Konsentrunde. Dazu gehört auch die Unterscheidung zwischen Präferenz und begründeter Einwand. Präferenzen spielen eine untergeordnete Rolle. Die schnelle Reaktionsrunde dient der Aufnahme der momentanen Stimmung. Ziel ist es aber in die Konsent-Runde zu gelangen.
3.2 Wer entscheidet?
Als Orientierung gilt: Diejenige die von der Entscheidung betroffen sind, einen Beitrag dazu leisten eine Lösung zu finden und die Entscheidung umsetzen. Allerdings kann ein Kreis seine Mitglieder selber bestimmen. Wichtig ist das Vorhandensein eines gemeinsamen Aim (sprich: ein gemeinsames Ziel/gemeinsamer Sinn/gemeinsamer Zweck).
3.3 Was ist ein gültiger Einwand?
Der Aim (das Ziel/der Sinn/der Zweck) eines Kreises ist das, was der Kreis tut, die tatsächliche Arbeit die er leistet. In anderen Worten: Was dem Kreis seine Existenzberechtigung gibt. Der Kreis ist da um dieses oder jenes zu tun (ein Produkt entwickeln, ein Produkt herzustellen, eine Dienstleistung zu entwickeln oder erbringen, …). Daraus ergeben sich Unter- oder Teilziele. Der Aim ist sehr spezifisch definiert, alle sollten wissen, was das Ziel/der Zweck ist. Wenn jemand fragt „Was macht ihr?“ sollte der Aim die Antwort darauf sein. Der Aim unterscheidet sich von der Vision, in dem der Aim ganz praktisch formuliert ist, die Vision abstrakter (Vision: Wir verbessern die Lebensqualität von Menschen, Aim: Wir verbessern die Lebensqualität der Menschen, in dem wir ihnen ein zu Hause geben).
Einwand heisst: „Wenn wir dem Vorschlag zustimmen, werde ich meine Arbeit nicht tun können, ich/wirwerde/n den Zweck den wir uns gegeben haben (Aim) nicht erfüllen können“.
Es geht nicht um Präferenzen, sondern um „der Vorschlag hindert uns daran, unsere Arbeit zu tun“.
Würden wir lediglich im Präferenz-Bereich arbeiten, hätten wir wenig Handlungsmöglichkeiten. Dadurch, dass der Toleranz-Bereich berücksichtigt wird und nicht der Präferenz-Bereich, erhalten wir mehr Handlungsmöglichkeiten. Konsent heisst: „Es entspricht zwar vielleicht nicht meiner Präferenz, aber ich kann damit trotzdem meine Arbeit machen, um den Aim zu erfüllen. Es hindert uns nicht daran, den Aim zu erfüllen“.
Angenommen wir haben ein Wohnhaus mit zwei Wohnzimmern. Meine Präferenz wäre zwei Wohnzimmer zu haben. Der Vorschlag sagt „Wir bauen eines der Wohnzimmer in ein privates Zimmer um“. Es entspricht zwar nicht meiner Präferenz, aber ich toleriere es, denn wir haben ja noch ein Wohnzimmer, wo sich begegnet werden kann. Wo ich es nicht mehr tolerieren kann, ist wenn beide Wohnzimmer umgebaut werden würden, da dann kein Raum mehr für Begegnungen da wäre, was jedoch Teil unseres Aim ist: Räume schaffen für Begegnungen. Konsent = Ich kann damit arbeiten.
Wichtig: Ein Einwand sollte stets positiv aufgenommen werden, denn er drückt aus „Ich will Arbeiten, kann es aber bei diesem Vorschlag nicht, ich möchte aber“.
3.4 Umgang mit Einwänden
Um mit Einwänden umzugehen stehen mehrere Möglichkeiten zur Verfügung.
1) Verstehen
– Wie lautet der Einwand?
– Handelt es sich um einen gültigen Einwand oder um eine Präferenz?
– Wo ist die Störung in Bezug auf den Aim? Inwiefern kann dieser nicht erfüllt werden, wenn der Vorschlag umgesetzt wird?
2) Vorschlag ändern
– Inhaltliche Veränderung
– Dauer ändern
– Bedenken operationalisieren/messbar machen
3) Vorschlag weiterleiten
– an einen kleineren Kreis
– an einen grösseren Kreis
– an einen anderen Kreis der Unterstützen soll
– an die Autorschaft zurück zur Überarbeitung
3.4.1 Verstehen
Einwände müssen ernst genommen werden. Dafür ist es wichtig, sie richtig zu verstehen. Gleichzeitig muss verstanden werden, ob es sich um einen Einwand oder eine Präferenz handelt. Dies erfolgt mit der Person welche den Einwand eingebracht hat zusammen. Darüber hinaus muss geklärt werden, wo der Vorschlag mit der Arbeit in Konflikt steht.
Oft ist es Menschen vor allem wichtig, dass sie gehört und ernst genommen werden, ihre Bedenken äussern können, bevor sie ihr Konsent geben.
3.4.2 Vorschlag ändern
Einwände müssen berücksichtigt werden. Die Frage, die sich gestellt wird lautet „Was können wir tun, damit wir weiter arbeiten können?“.
Der Vorschlag kann so überarbeitet werden, dass er im Einklang mit dem Aim steht. Das machen entweder Facilitator, Facilitator zusammen mit den Einwandbringenden, oder es wird in die Runde gefragt, ob jemand eine Möglichkeit sieht, wie der Vorschlag in Einklang mit dem Aim gebracht werden kann. Dies geschieht entweder im Kreis oder als Popcorn-Runde.
Eine weitere Möglichkeit besteht darin, eine kürzere Terminierung anzusetzen. Statt „wir überprüfen es in sechs Monate wieder“ zum Beispiel „wir überprüfen es in zwei Monate wieder und sehen dann weiter“. Eine solche Probezeit dient dazu Informationen zu erhalten, aus denen gelernt werden kann: bewährt es sich, bewährt es sich nicht? Wenn es sich nicht bewährt, dann wurde zumindest etwas gelernt.
Ebenso kann versucht werden die Auswirkungen zu operationalisieren, messbar zu machen. Wenn eine Wohltätigkeitsorganisation entscheidet, nur alle zwei Monate einen Newsletter zu versenden, kann sie sehen, ob es eine Auswirkung auf die Spenden hat oder nicht.
Wird der Vorschlag geändert, wird er erneut präsentiert, damit alle über dasselbe sprechen, gefolgt von Verständnisfragen, Reaktionsrunde, Konsentrunde.
3.4.4 Vorschlag weiterleiten
Wird keine Lösung gefunden, kann der Vorschlag zurück an die Autorschaft überwiesen werden, an einen kleineren Kreis, welcher sich darum kümmert einen neuen Vorschlag auszuarbeiten, an einen grösseren Kreis oder es kann ein unterstützender Kreis von ausserhalb des Kreises um Rat gebeten werden.
Beispiel: Wir evaluieren unsere Lernerfahrung. Vorschlag: jede/r vergibt eine Punktezahl zwischen 0 und 10. Verständnisfragen? „Also jeder vergibt nur eine Zahl?“ Antwort „Ja“. Schnelle Reaktionsrunde „Mir ist das zu wenig Ausdifferenziert“ „Ich hätte lieber qualitative statt quantitative Daten“ Facilitator bleibt bei seinem Vorschlag. Konsentrunde „Einwand: zu wenig Aussagekräftig, zu wenig differenziert“. Vorschlag wird angepasst „Mehrere Dimensionen, Platz für qualitative Rückmeldungen, Dimensionen sind genau definiert“ Verständnisfragen? „Keine“ Schnelle Reaktionsrunde „Viel besser, danke für die Arbeit“. Konsent? Konsent.
Tipp: Wann immer wir nicht weiter wissen, machen wir eine Runde. Oft hat jemand aus der Runde einen Vorschlag, wie weitergemacht werden könnte oder ein Ausgangsgedanke auf dessen Basis eine Idee aus entwickelt werden kann. Es geht darum, der Gruppe Raum geben und das Wissen, die Ideen, welchein der Gruppe vorhanden sind zu nutzen. Das ganze Potential nutzen.
3.5 Check-out Runde
Wie immer, schliessen wir unsere Sitzung mit einer Check-out Runde. Rückmeldungen/Evaluation der heutigen Sitzung. Was war gut? Was nicht so?
Teile von uns bemängelten, dass in der Soziokratie wenig Austausch stattfindet. Die Debatte fehlt. Diesbezüglich sollte sich in Erinnerung gerufen werden, dass ein grosser Teil des Vorschlags bereits gemeinsam erarbeitet wurde (siehe Einheit 2, Picture Forming und Proposal Shaping) und dass dort schon viele Informationen und Anliegen aus der Gruppe miteingeflossen sind. Des Weiteren besteht immer die Möglichkeit mehrere Runden, oder eine Popcorn-Runde oder eine Debatte mit anschliessender abschliessender Runde durchzuführen, wenn Facilitator dies für angebracht halten.
Weiter wurde angemerkt, dass das Vorgehen der Soziokratie sehr starr sei. Diesbezüglich gilt es zu berücksichtigen, dass unterschiedliche Handlungsmöglichkeiten bestehen, welche flexibel anwendbar sind und es Aufgabe der Facilitator ist, die gerade passende und den Bedürfnissen des Kreises entsprechenden daraus auszusuchen.
Was vorgegeben ist, ist die Grundstruktur: Check-in, Admin, Inhalt (Präsentation des Vorschlags, Verständnisfragen, schnelle Reaktionsrunde, Konsent-Runde, Verkündung), Check-out Runde.
Flexibel eingesetzt werden können:
• Runden oder Anzahl Runden: die Runde ist wohl das wichtigste, stärkste Instrument, das zur Verfügung steht und kann in vielen unterschiedlichen Situationen angewendet werden, nämlich immer dann, wenn etwas unklar ist.
– Es fehlen viele Leute oder es fehlen Schlüsselpersonen eines bestimmten Traktandums > Runde: Was wollen wir tun?
– Die Zeit wird knapp > Runde: Was wollen wir tun?
– Facilitator wissen nicht was tun, wie vorgehen > Runde: Hat jemand eine Idee?
– Besteht viel Gesprächsbedarf oder geht es darum Ideen zu sammeln, können auch mehrere Runden nacheinander durchgeführt werden. Auch damit auf das gesagte Bezug genommen werden kann.
• Popcorn-Runden: statt dass jeder in der Runde etwas sagt, wird einfach in die Runde gefragt, ob noch jemand etwas sagen möchte, ob es noch Ergänzungen gibt
• Debattier-Zeit: Besteht das Bedürfnis nach einer Debatte, können Facilitator sagen „Lasst uns 10 Minuten eine Debatte führen“. Wichtig ist, dass im Anschluss eine Runde folgt, damit jede/r seinen/ihren Erkenntnisse aus der Debatte kundtun kann, das Ganze wieder in den Kreis zurückgeführt wird und wieder Ruhe reingebracht wird, wieder runterfahren
• Wie weiter bzw. Ideen aus dem Kreis?-Runden: wissen Facilitator nicht genau, wie sie fortfahren sollen, können sie eine Runde machen und fragen, ob jemand ein Vorschlag hat, wie es weitergehen könnte
• Vorschlag inhaltlich ändern: Was muss geändert werden, damit wir alle weiterarbeiten können?
• Andere zeitliche-Terminierung und Messung der Auswirkungen: Gibt es bedenken, kann eine kürzere Probezeit vereinbart werden, in der Auswirkungen gemessen werden, Informationen gesammelt werden, um daraus zu lernen, den Vorschlag anpassen.
• Zurück zur Autorschaft, Kreis erweitern, Kreis kleiner machen, Unterstützung von aussen, Unterstützung einer Person durch eine andere Person, Ausschluss aus Kreis wenn eine Person wiederholt alle anderen aufhält (als allerletzte Option!).
Es wurde angemerkt, es sei komisch, wenn jemand den Konsent nicht gibt, wird es trotzdem gemacht, halt mit einer anderen zeitlichen Terminierung. Damit es ausgeführt wird, braucht es auch den Konsent der Person, die den Einwand formuliert hat. Sie wird also nicht Übergangen. Der Einwand ist z.B. in einer Änderung des Vorschlags oder in der kürzeren Terminierung und der Beobachtung bzw. Messung von bestimmten Kriterien während dieser Zeit berücksichtigt.
Was ist mit Gefühle? Was ist, wenn ich das Gefühl habe, dass etwas nicht gut ist? Durch Terminierung und Messung werden sie berücksichtigt. Haben sie sich bewahrheitet oder nicht? Nicht alles ist messbar, selbst wenn, kann nicht immer von einem kausalen Zusammenhang ausgegangen werden. Dennoch: durch das Ausprobieren werden wichtige Informationen gesammelt, woraus gelernt und Neues entwickelt werden kann. Es geht nicht zuletzt auch darum, zu lernen. Fehler gehören dazu.
=> Good enough for now, safe enough to try
Es gibt keine Perfekte Lösungen. Insbesondere in einer Welt die sich so schnell verändert, wie die unsere, in der es so viele Unsicherheiten gibt. Gesucht wird eine Lösung für jetzt, damit die Gruppe den Aim erfüllen, sprich Arbeiten kann. Die Lösung wird dann an Tag X wieder hinterfragt.
Fazit
Die Idee eines kostenlosen Lernprogramms, welches in einer Gruppe, gemütlich nach Feierabend, mit ein paar Kleinigkeiten zum Essen, absolviert werden kann, gefiel uns sehr.
Tatsächlich ist es von Vorteil, wenn die Gruppe ein gemeinsames Projekt hat, welches als Beispiel durchspielen können, aber es geht auch als bunt zusammengewürfelter Haufen, so wie wir es waren und die Beispiele aus der Video-Anleitung nutzend.
Die Videos sind leider nicht alle gleich gut nachvollziehbar, es ist von Vorteil wenn eine/r aus der Gruppe bereits etwas Erfahrung mit Soziokratie mitbringt. Den Aufbau des Lernprogramms würde ich persönlich anders gestalten. Die Texte wiederholen sich manchmal.
Dennoch würde ich der Plattform 7.5 von 10 Punkte geben. Wir hatten Spass, haben gemütliche Stunden miteinander verbracht und haben dabei noch etwas gelernt.
Wichtig scheint mir festzuhalten, dass die Soziokratie viele Möglichkeiten/Werkzeuge bietet. Der Kernpunkt liegt darin, diese der jeweiligen Situation entsprechend einzusetzen (siehe Kapitel 3.5). Gelingt dies, so kann tatsächlich mehr profitiert werden vom vorhandenen Potential. Darüber hinaus würde ich gerne dazu ermutigen, auch nur mal einzelne Teile aus Soziokratie zu nutzen oder einzelne Sitzungen im Soziokratie-Modus zu absolvieren. Einfach mal probieren.
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Die vorliegenden Lernprotokolle fassen Videos und schriftliche Unterlagen von SoFA zusammen sowie Fragen und Diskussionen aus der Lerngruppe (jeweils in kursiv gekennzeichnet). Je nach Autorschaft, können sich Ausformungen der Soziokratie unterscheiden. Das Netzwerk Selbstorganisation verfolgt einen pragmatischen Ansatz: das Vorgehen muss der Sache dienen.
Lieber Matthias und Team. Danke für das zur Verfügung stellen eurer Lernerfahrung mit SoFA. Das ist sehr interessant und hat mich angeregt. Ich bin momentan an einer kostenpflichtigen…:) Weiterbildung zur Soziokratie-Expertin. Wenn ich euer Protokoll lese, unterscheiden sich eure Lernerfahrungen und auch die kritische oder fragende Betrachtung einzelner Aspekte wenig von den meinigen. Ich denke, das ist ein gutes Zeichen für SoFA. Und es ist natürlich toll und attraktiv die Soziokratie in dieser kostengünstigen und unverbindlichen Art kennen zu lernen, darum gebe ich die Info gern an Interessierte weiter.
Den Vorteil einer Ausbildung sehe ich darin, dass ich meine Fragen jeweils gleich mit einer erfahrenen Person austauschen kann, die auch situative Unterschiede kennt und differenzieren kann. Da ich als Coach/OE-Beraterin arbeite und Organisationen unterstützen möchte, das Modell nachhaltig zu implementieren, habe ich für mich den Anspruch, dieses umfassend zu verstehen…..und den Titel zu haben..:)
Aus meiner Sicht noch eine Lernerfahrungen: Die Idee der Prinzipien und die Vorgehensweisen bspw. der Konsentmoderation und der offenen Wahl sind meiner Erfahrung nach relativ schnell zu verstehen. Die Haltungen/Werte die damit verbundenen sind, wie die Gleichwertigkeit bei der Entscheidungsfindung und der transparente Umgang mit Macht, finde ich eine Herausforderung. Auch wenn ich diese Haltung teile, ertappe ich mich in der Umsetzung immer wieder, dass ich in alte Muster tappe (wie Ungeduld, Effizienzfragen usw.), auch weil ich anders geprägt wurde. Das heisst für mich, die konsequente Umsetzung in allen Situationen braucht meines Erachtens eine sehr stabile Grundhaltung und ein Festhalten am entsprechenden Menschenbild – ohne Ausnahme. Somit ist wie oft in einer Veränderung, die Struktur zwar schnell definiert und verstanden, die Kultur hinkt aber meist hintennach. Ich bleibe dran und hoffe, ihr auch. Liebe Grüsse, Marianne
Liebe Marianne,
ich danke dir sehr für deine Rückmeldung.
Das kostenlose Programm von SoFA ermöglicht es, einen Einblick in die Soziokratie zu erhalten. Ein erstes Praxis-bezogenes Kennenlernen. Was es nicht ersetzen kann, ist die Person mit Soziokratie-Erfahrung, welche eine Gruppe begleiten kann, Fragen beantworten kann, Verbesserungsvorschläge bei der Umsetzung einbringen kann und, ganz wichtig, den Ansatz den Bedürfnissen der jeweiligen Organisation anpassen kann. Jede Organisation hat andere Bedürfnisse/Voraussetzungen, die berücksichtigt werden müssen.
Mit dem Thema Haltung sprichst du einen wichtigen Punkt an, der in unserem Protokoll tatsächlich zu kurz kommt. Auf die Gleichwertigkeit aller Mitglieder eines Kreises sollte viel mehr eingegangen werden, denn dies ist ein zentraler Bestandteil der Soziokratie und gehört explizit erwähnt.
Soziokratie-Ausbildungen können leider sehr teuer sein, was meiner persönlichen Meinung nach nicht wirklich dem Spirit der Soziokratie entspricht (Stichwort: Gleichwertigkeit) und dazu führt, dass einigen der Zugang dazu verwehrt bleibt. Daher finde ich gut, dass es ein solches frei zugängliches Angebot gibt, selbst wenn die Gleichwertigkeit einer Ausbildung natürlich nicht gegeben ist.
Lieben Gruss,
Matthias